Wegweisende Renaturierungsmaßnahmen am Ragnitzbach ermöglichen Biodiversität

Nach aufwendiger Überwindung rechtlicher Hürden konnte ein Bach-Renaturierungsprojekt in Graz am 3.4.2025 in die Tat umgesetzt werden. Als Pächter des Gewässers hat der Naturschutzbund Steiermark die ökologischen Strukturierungsmaßnahmen im und am Ragnitzbach geplant und die Baumaßnahmen unter der Leitung von Oliver Zweidick, MSc begleitet. Im Zuge der Arbeiten wurde auf einer Gesamtlänge von ca. 30 Metern die Ufersicherung (Wasserbausteine) entfernt und durch Jungbäume (Schwarzerlen, Weiden) ersetzt, eine Sohlschwelle teilweise herausgenommen und die angrenzende Sohlpflasterung aufgebrochen. Durch die getroffenen Maßnahmen verbessert sich der Lebensraum für alle anspruchsvollen aquatischen Organismen.

Eine Köcherfliege als Indikator für ein ökologisch hochwertiges Gewässer

Die Wahl für den Rückbau fiel auf jenen Bachabschnitt des Ragnitzbaches, an dem 2022 erstmals die Köcherfliegenart Adicella balcanica in Österreich nachgewiesen wurde und im selben Jahr ein Projekt zur Wiederansiedelung der Elritze, eines nur maximal fingergroßen Fisches, erfolgte. Im Großteil des Verbreitungsgebiets von Adicella balcanica, der Balkanhalbinsel und Teilen Mitteleuropas, ist die Art äußerst selten. Die Larven der Art bevorzugen kleinere, von Grundwasser beeinflusste Fließgewässer mit ausgedehnten Bereichen sogenannter „Wurzelbärte“. Diese werden von den feinen, ins Wasser ragenden Wurzeln der Uferpflanzen gebildet und dienen den Larven der Art als Nahrung und Baumaterial für ihre zylindrischen Wohngehäuse („Köcher“). Derartige Bereiche sind an der Renaturierungsstelle entlang von wenigen Metern vorhanden, wo anstatt der Wasserbausteine (große Fels-Bruchstücke zur Ufersicherung) das Wurzelwerk von Weiden und Schwarzerlen die Uferlinie bilden. Durch die Entfernung der Wasserbausteine und Pflanzung von Bäumen an den Ufern werden sich in den nächsten Jahren die nutzbaren Bereiche für die Art vervielfachen. Generell sind unverbaute, durchwurzelte Ufer ein wesentlicher Teillebensraum für eine Vielzahl aquatischer Organismen, weshalb die Förderung von Adicella balcanica stellvertretend für die gesamte Lebensgemeinschaft der bachbettbewohnenden Organismen (Benthos) steht.  

Naturschutzbund will naturnahe Gewässerabschnitte an Grazer Bächen wieder herstellen.

Der Naturschutzbund Steiermark ist an vier großen Grazer Bächen (Mariatroster-, Stifting-, Leonhard- und Ragnitzbach) Fischereipächter und -aufseher. Bisher wurde überwiegend das Ziel verfolgt, bauliche Maßnahmen von Anrainer*innen an und in den Bächen auf ihre ökologischen Auswirkungen zu prüfen und gegebenenfalls Modifikationen vorzuschlagen. Zukünftig wird die Wiederherstellung naturnaher Fließgewässerabschnitte stärker in unseren Fokus rücken, wobei gehölzbestandene Ufer ohne harten Verbau von zentraler ökologischer Bedeutung sind. Da vor der Maßnahmenumsetzung im Ragnitzbach der ökologische Zustand auf Grundlage der bachbettbewohnenden Tiere (Makrozoobenthos) bewertet wurde, wird es nun möglich sein, den Maßnahmenerfolg durch eine erneute Beprobung zu evaluieren und diesen hinsichtlich weiterer Anwendungen in Grazer Bächen zu überprüfen.

Nähere Infos zum Projekt: WEITERLESEN

Die in der Bachmitte durchtrennte Sohlschwelle und entfernte Sohlpflasterung ermöglichen nun den bachbettbewohnenden Tieren die stromaufwärtsgerichtete Wanderung.

Ein besonderer Dank ergeht an die Mavie Med Holding als Eigentümerin der Privatklinik Graz Ragnitz, die den Veränderungen im Bereich ihres wasserrechtlich bewilligten Anlagenbereichs zugestimmt und unser Projekt gefördert hat. Das Projekt wurde außerdem mit Spendenmitteln an den Naturschutzbund Österreich finanziert.

Kontakt: oliver.zweidick@naturschutzbundsteiermark.at

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