Grazer Bäche - Rückgrat der städtischen Biotopvernetzung

In letzter Zeit ist im Zusammenhang mit der Erreichung europäischer Naturschutzziele die Bedeutung von Fließgewässern für die Vernetzung von Lebensräumen (Biotopverbund) in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Fließgewässer samt deren Ufervegetation haben als lange, linienförmige Strukturen das Potential, für viele Tierarten schützende Wanderkorridore durch intensiv genutztes Land darzustellen. Dies ist besonders in Städten der Fall, zumal dort kaum andere Ausbreitungsmöglichkeiten für flugunfähige Tiere bestehen.
Im Stadtgebiet von Graz setzt sich der Naturschutzbund Steiermark in vielfältiger Weise für den ökologischen Schutz von Fließgewässern ein. So haben wir für einen Gutteil der Grazer Bäche die Fischereipacht und – aufsicht über und können dadurch Naturschutz-Anliegen einbringen.

Der Naturschutzbund Steiermark ist Fischereipächter und -aufseher von vier großen Grazer Bächen, dem Mariatroster-, Stifting-, Ragnitz- und Leonhardbach, wobei wir keine fischereilichen Interessen verfolgen.

Wegweisende Renaturierungsmaßnahmen am und im Ragnitzbach

Nach aufwendiger Überwindung rechtlicher Hürden konnte ein Bach-Renaturierungsprojekt in Graz am 3.4.2025 in die Tat umgesetzt werden. Als Pächter des Gewässer hat der Naturschutzbund Steiermark die ökologischen Strukturierungsmaßnahmen im und am Ragnitzbach geplant und die Baumaßnahmen unter der Leitung von Oliver Zweidick, MSc begleitet. Im Zuge der Arbeiten wurde auf einer Gesamtlänge von ca. 30 Metern die Ufersicherung (Wasserbausteine) entfernt und durch Jungbäume (Schwarzerlen, Weiden) ersetzt, eine Sohlschwelle teilweise herausgenommen und die angrenzende Sohlpflasterung aufgebrochen. Durch die getroffenen Maßnahmen verbessert sich der Lebensraum für alle anspruchsvollen aquatischen Organismen.

Im Zuge der Renaturierung wurde ein Teil der Uferbefestigung am Ragnitzbach entfernt und eine Sohlschwelle (querliegender Stamm) mit der Motorsäge durchtrennt (Foto li.). Am Bild rechts ist der Renaturierungsbereich am Ragnitzbach nach Entfernung der Ufersicherung (Wasserbausteine) und Pflanzung einer Baumreihe aus Schwarzerlen und Weiden abgebildet. Die Wasserbausteine wurden teils entfernt und teils in die Mitte des Bachbettes versetzt.

Eine Köcherfliege als Indikator für ein ökologisch hochwertiges Gewässer

Die Wahl für den Rückbau fiel auf jenen Bachabschnitt des Ragnitzbaches, an dem 2022 erstmals die Köcherfliegenart Adicella balcanica in Österreich nachgewiesen wurde und im selben Jahr ein Projekt zur Wiederansiedelung der Elritze, eines nur maximal fingergroßen Fisches, erfolgte.

Im Großteil des Verbreitungsgebiets von Adicella balcanica, der Balkanhalbinsel und Teilen Mitteleuropas, ist die Art äußerst selten. Die Larven der Art bevorzugen kleinere, von Grundwasser beeinflusste Fließgewässer mit ausgedehnten Bereichen sogenannter „Wurzelbärte“. Diese werden von den feinen, ins Wasser ragenden Wurzeln der Uferpflanzen gebildet und dienen den Larven der Art als Nahrung und Baumaterial für ihre zylindrischen Wohngehäuse („Köcher“). Derartige Bereiche sind an der Renaturierungsstelle entlang von wenigen Metern vorhanden, wo anstatt der Wasserbausteine (große Fels-Bruchstücke zur Ufersicherung) das Wurzelwerk von Weiden und Schwarzerlen die Uferlinie bilden. Durch die Entfernung der Wasserbausteine und Pflanzung von Bäumen an den Ufern werden sich in den nächsten Jahren die nutzbaren Bereiche für die Art vervielfachen. Generell sind unverbaute, durchwurzelte Ufer ein wesentlicher Teillebensraum für eine Vielzahl aquatischer Organismen, weshalb die Förderung von Adicella balcanica stellvertretend für die gesamte Lebensgemeinschaft der bachbettbewohnenden Organismen (Benthos) steht.

Larve (li.) und Adultes Tier (Imago) (re.) von Adicella balcanica aus dem Ragnitzbach

Mehr über das Projekt: Köcherfliegen-Montitoring des Naturschutzbundes erfahren Sie: HIER

Naturschutzbund will naturnahe Gewässerabschnitte an Grazer Bächen wieder herstellen.

Der Naturschutzbund Steiermark ist an vier großen Grazer Bächen (Mariatroster-, Stifting-, Leonhard- und Ragnitzbach) Fischereipächter und -aufseher. Bisher wurde überwiegend das Ziel verfolgt, bauliche Maßnahmen von Anrainer*innen an und in den Bächen auf ihre ökologischen Auswirkungen zu prüfen und gegebenenfalls Modifikationen vorzuschlagen. Zukünftig wird die Wiederherstellung naturnaher Fließgewässerabschnitte stärker in unseren Fokus rücken, wobei gehölzbestandene Ufer ohne harten Verbau von zentraler ökologischer Bedeutung sind.

Da vor der Maßnahmenumsetzung im Ragnitzbach der ökologische Zustand auf Grundlage der bachbettbewohnenden Tiere (Makrozoobenthos) bewertet wurde, wird es nun möglich sein, den Maßnahmenerfolg durch eine erneute Beprobung zu evaluieren und diesen hinsichtlich weiterer Anwendungen in Grazer Bächen zu überprüfen.

Ein besonderer Dank ergeht an die Mavie Med Holding als Eigentümerin der Privatklinik Graz Ragnitz, die den Veränderungen im Bereich ihres wasserrechtlich bewilligten Anlagenbereichs zugestimmt und unser Projekt gefördert hat.

Das Projekt wurde außerdem mit Spendenmitteln an den Naturschutzbund Österreich finanziert.

Kontakt: oliver.zweidick@naturschutzbundsteiermark.at

Alle Fotos © Oliver Zweidick

Mai 2025

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