2021: Dänische Eintagsfliege

Mit der Dänischen Eintagsfliege wird erstmals ein Vertreter einer Insektengruppe als „Insekt des Jahres“ ausgewählt, die mit ca. 140 bekannten Arten in Mitteleuropa zu den vergleichsweise artenarmen gehört. Ihr Name geht auf den dänischen Zoologen und Naturforscher Otto Friedrich Müller (1730 –1784) zurück, der sie 1764 als Ephemera danica beschrieb. Erdgeschichtlich reicht das Auftreten der Eintagsfliegen bzw. ihrer Vorfahren bis in das Unterkarbon (vor 333 bis 355 Millionen Jahren) zurück. Seit dem Jura (vor etwa 201 bis 145 Millionen Jahren) nahm der Anteil der Eintagsfliegen an der Gesamtzahl der bekannten Insektenarten stetig ab, so dass diese altertümliche Insektengruppe heute Reliktcharakter besitzt.

© Wolfgang Kleinsteuber

Aussehen
Die Dänische Eintagsfliege erreicht eine Körperlänge von ca. 1,4 bis 2,2 cm und gehört mit Flügelspannweiten von bis über 4 cm zu den großen und auffälligen mitteleuropäischen Arten. Ihre Flügel sind transparent und leicht gelblich, mit gut sichtbaren schwarzen Flecken in variierender Anzahl und Größe. Der Kopf zeigt auffallende dunkle Zeichnungen. Auf dem hell- cremefarbigen bis gelblichen Hinterleib sind charakteristische schwarze Muster ausgebildet. Das Ende des Hinterleibs trägt drei Schwanzfäden. Die etwas kleineren Männchen weisen stark verlängerte Vorderbeine und Schwanzfäden auf, die zum Umklammern des Weibchens bzw. zum Steuern und Balancieren während des Fluges und bei der Begattung dienen.

 

Verbreitung und Lebensraum
Ephemera danica ist in Europa weit verbreitet. Sie kommt vom Polarkreis in Skandinavien südwärts bis Spanien und Italien sowie östlich bis ins westliche Kleinasien vor. Die Dänische Eintagsfliege besiedelt ein breites Gewässerspektrum von der Ebene über das Hügel- bzw. Alpenvorland bis ins Gebirge. So ist sie sowohl in kleinsten Bächen als auch in größeren Flüssen zu finden und wurde auch in Kleingewässern der Flussniederungen sowie in der Brandungszone von Seen nachgewiesen.

Der Entwicklungszyklus – ein Leben in zwei Welten
Während der Sommermonate zwischen Mai und September kann man Weibchen der Dänischen Eintagsfliege dabei beobachten, wie sie in einem Zick-Zack-Kurs über Gewässer fliegen und dabei mit der Spitze ihres Hinterleibs immer wieder ins Wasser eintauchen. So legen sie nach der Paarung portionsweise insgesamt mehrere tausend Eier ab. Diese treten aus der Geschlechtsöffnung heraus, werden im Wasser abgespült und sinken dann auf den Gewässergrund. Die Eier quellen im Wasser auf und bleiben mit ihrer gallertartigen, klebrigen Außenhülle am Gewässergrund hängen. Nach einigen Tagen schlüpft eine zunächst durch die Haut atmende Primärlarve.

Die weiteren Larvenstadien besitzen äußerlich sichtbare Kiemen. Während des Wachstums häuten sich die Larven immer wieder indem sie die zu eng gewordene Chitinhülle abstreifen, die als Exuvie zurückbleibt. Die Gesamtzahl der larvalen Häutungen ist u. a. von der Wassertemperatur abhängig und schwankt zwischen 20 und 30. Sie ist damit im Vergleich zu anderen Insektenordnungen sehr hoch.

Die Larve von Ephemera danica lebt eingegraben im feinkiesigen bis sandig-schlickigen Grund der Gewässersohle. Dort legt sie unvollständige bogenförmige Röhren an, in denen sie mit Hilfe von sieben Paaren seitlicher Kiemen rhythmische, synchronisierte Bewegungen ausführt. Aus dem so entstehenden Wasserstrom nimmt sie Sauerstoff zur Atmung auf und filtert aktiv ihre Nahrung heraus, die aus feinem organischen Material besteht. Aus dieser Lebensweise haben sich verschiedene Anpassungen entwickelt. So besitzt die Larve einen zylindrischen Körper mit kräftigen Beinen, die als Grabschaufeln eingesetzt werden. Am Hinterleib befinden sich tief gespaltene Kiemen mit gefransten Rändern. Die starke Kopfkapsel besitzt eine u-förmig ausgeschnittene und schildartig verbreiterte Verschmelzung von Stirn und Kopfschild, einen Frontoclypeus. Mit ihm und den schlanken, leicht gebogenen und stoßzahnartig verlängerten Oberkiefern gräbt die Larve Gänge und schiebt Material beiseite. Die Dänische Eintagsfliege trägt bereits als Larve auf ihrem Hinterleib ähnliche dunkle Zeichnungen wie das fertig ausgebildete Fluginsekt. Die Entwicklung der Larven dauert in Abhängigkeit von verschiedenen Umweltfaktoren wie der geografischen Lage, der Wassertemperatur und dem Nahrungsangebot ein bis drei Jahre, in Mitteleuropa meist zwei Jahre.

In Gewässerbereichen mit langfristig optimalen Entwicklungsbedingungen können die Ephemera-Larven hohe Populationsdichten erreichen. Dann ist während einer kurzen Zeit im Jahr ein synchronisierter Massenschlupf hunderter von Tieren zu beobachten.

© Wolfgang Kleinsteuber

Die doppelte Verwandlung – einmalig in der Insektenwelt
Kurz vor dem Übergang vom Wasser- zum Landleben bildet sich bei der ausgewachsenen Larve zwischen der alten und der neuen Haut eine Luftschicht. Dadurch verringert sich ihr spezifisches Gewicht und sie kann zur Wasseroberfläche aufsteigen. Längs einer vorgebildeten Naht an Kopf und Brust platzt nun die Larvenhaut auf und es schlüpft innerhalb weniger Sekunden eine bereits flugfähige Eintagsfliege heraus, die sich allerdings noch deutlich vom geschlechtsreifen Insekt (der Imago) unterscheidet. Dieses „vorläufige Luftstadium“ wird als Subimago bezeichnet und ist durch leicht getrübte, am Hinterrand bewimperte Flügel und kürzere Schwanzfäden erkennbar. Die Subimago fliegt sofort zu einem geschützten Ort am Ufer, wo sie zunächst für einige Zeit ruhig sitzenbleibt. Die finale Häutung wird durch zitternde Flügelbewegungen und Schwenken des Hinterleibs eingeleitet. Erst nach diesem zweiten Schlupf ist die Eintagsfliege fertig entwickelt und zur Fortpflanzung bereit.

Sowohl die Subimago als auch die Imago weisen verkümmerte Mundwerkzeuge auf und nehmen keine Nahrung mehr auf. Auch der Darm ändert seine Funktion und kann durch das Insekt unterschiedlich stark mit Luft befüllt werden. Dadurch können Eintagsfliegen während des Fluges ihre Körperstellung regulieren und die Weibchen vermutlich das Auspressen der Eier bei der Ablage unterstützen. Die Imagines der Dänischen Eintagsfliege leben zwei bis vier Tage. In dieser Zeit erfolgen Paarung und Eiablage. Die Männchen schwärmen in Gruppen bevorzugt nachmittags bis abends im Uferbereich. Kommt ein Weibchen hinzu, wird es sofort von den Männchen unterflogen. Hat ein Männchen das Weibchen erfolgreich mit den stark verlängerten Vorderbeinen an den Flügelwurzeln umklammert, umgreift es dieses mit den Kopulationszangen am Hinterleib. Während der im Flug erfolgenden Paarung driften die Tiere mit gespreizten Schwanzfäden und schlagenden Flügeln abwärts und trennen sich meist erst unmittelbar vor Erreichen des Bodens oder der Wasseroberfläche wieder. Bereits kurz danach legt das Weibchen seine Eier ab und ein neuer Entwicklungszyklus kann beginnen.

Gefährdung und Schutz
Die Dänische Eintagsfliege ist in Mitteleuropa weit verbreitet. Aktuell ist sie nicht gefährdet. Während ihrer durchschnittlich zweijährigen Larvenentwicklung ist sie jedoch auf ökologisch intakte Gewässer angewiesen. Für die Kiemenatmer ist ein guter Sauerstoffgehalt des Wassers wichtig. Die grabenden Larven brauchen außerdem strömungsberuhigte, feinsedimentreiche und nicht zu stark verschlammte Bereiche, damit sie ihre Wohnröhren anlegen können. Die erwachsenen Fluginsekten sind auf strukturreiche Gehölzsäume der Gewässerufer angewiesen. Dort finden sie nach dem Schlupf Ruheplätze und während ihrer Paarungsflüge Orientierungspunkte sowie die von ihnen bevorzugten Schwarmplätze. Ein möglichst umfassender Gewässer- und Uferschutz sichert und fördert daher langfristig den Erhalt der Art. Insbesondere sollten übermäßige Nährstoffeinträge, die zu Eutrophierung und Bildung von Faulschlamm führen, sowie nachteilige strukturelle Veränderungen ihrer Wohngewässer wie Ausbaumaßnahmen, die Errichtung von Stauhaltungen und die Rodung von Ufergehölzen oder die Vernichtung von Uferrandstreifen vermieden werden.

Die nähere Verwandtschaft
In Mitteleuropa ist die Gattung Ephemera durch drei weitere Arten vertreten, die sich u.a. in der Ausprägung der dunklen Zeichnungen auf der Oberseite ihres Hinterleibs unterscheiden. Trotz ihrer ähnlichen Lebensweise besetzen sie zum Teil unterschiedliche ökologische Nischen. Ephemera vulgata kommt sowohl im Bergland als auch in der Ebene vor, ist aber insgesamt seltener als die Dänische Eintagsfliege. Ihre Larven bewohnen vor allem Seen (auch zusammen mit E. danica) und Teiche sowie Flussseen und langsam fließende Flüsse, Bäche und Gräben. Sie haben auf allen Abschnitten des Hinterleibs kräftige dunkle Zeichnungen. E. vulgata ist im Vergleich zu den anderen Arten toleranter gegenüber Eutrophierung (z. B. in Fischteichen) und kann in nischenarmen Lebensräumen wie Schotterbereichen von Flüssen oder frisch gefluteten Kiesgruben auch Hartsubstrate besiedeln, ohne sich einzugraben.

Die seltene Ephemera glaucops ist die kleinste der vier mitteleuropäischen Arten und besiedelt große Flüsse, Altarme und nährstoffarme Seen. Sie wird häufiger in neu entstandenen, größeren Stillgewässern wie Kiesgruben und Tagebauseen gefunden. Ihre Hinterleibszeichnung besteht aus jeweils zwei Paaren dünnerer Längsstriche, die der ersten Abschnitte nur aus einem Paar, das meist verkürzt ist. Ephemera lineata war früher in Flüssen verbreitet und wird heute nur noch sehr selten nachgewiesen. Sie ist in Teilen Europas ausgestorben bzw. verschollen.

Lesetipps
Bauernfeind, E. & Humpesch, u. H. (2001): Die Eintagsfliegen Zentraleuropas (Insecta: Ephemeroptera): Bestimmung und Ökologie. – Verlag des Naturhistorischen Museums Wien: 239 Seiten.
Burmeister, E.-G. (1987): Die Arten der Gattung EphemeraLinnaeus, 1758 in Bayern – Diagnose und Faunistik (Insecta, Ephemeroptera, Ephemeridae). – Nachrichtenblatt der Bayerischen Entomologen 36: 68–73.
Gleiss, H. (2003): Die Eintagsfliegen. – Die Neue Brehm-Bücherei, Heft 136 (unveränderter Nachdruck von 1954). Westarp Wissenschaften, Hohenwarsleben, 2. Aufl.: 48 Seiten.
Sartori, M. & Landolt, p. (1999): Atlas de Distribution des Éphémères de Suisse (Insecta, Ephemeroptera). – Fauna Helvetica 3. Schweizerische Entomologische Gesellschaft, Neuchâtel: 214 Seiten. (allg. Textteil: deutsch-französisch, Artenteil: französisch)
Speth, H. (2014): Anpassungen und Formenreichtum heimischer Eintags-, Stein- und Köcherfliegen (Insecta: Ephemeroptera, Plecoptera, Trichoptera). – Insecta 14: 5 –21. Berlin.

Das Insekt des Jahres wird seit 1999 proklamiert. Ein Kuratorium, dem namhafte Insektenkundler und Vertreter wissenschaftlicher Gesellschaften und Einrichtungen angehören, wählt jedes Jahr aus verschiedenen Vorschlägen ein Insekt aus. Der Naturschutzbund Österreich ist seit Beginn mit dabei.

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